Des Kunsthändlers neue beste Freunde
by Tim Ackermann
Jede Krise hat auch ihre Erfolgsgeschichte. Die Berliner Firma Fine Art Equity ist im Kunsthandel so beliebt wie nie zuvor. Sie bietet an, was alle brauchen: schnelles Geld.
Wenn in noch nicht absehbarer Zeit die Finanzkrise ausgestanden ist und sich die Märkte wieder beruhigt haben, dann werden vielleicht einige Menschen auf das Chaos zurückblicken und sagen: „Schade, es war doch nicht alles schlecht.“ Zu diesen Menschen könnten Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel gehören. In jeder Umbruchsituation gibt es einige, die ganz besonders gefragt sind, und zu den Gefragtesten gehören im Moment wohl Würtenberger und Tümpel. Der Grund ist einfach. Sie haben etwas im Angebot, was in der Finanzkrise jeder braucht: größere Mengen an Bargeld.
Seit Spätherbst letzten Jahres hat die globale Misere bekanntlich auch den Kunstmarkt erfasst. Die Aktien des Auktionshauses Sotheby's sind in den Keller gerutscht. Mitunter verzweifelte Galeristen locken Sammler mit erstaunlichen Rabatten. Es ist ungewohnt, in einem solchen Umfeld zur Abwechslung mal eine gute Nachricht zu verkünden: Die kleine Berliner Firma Fine Art Equity hat im ersten Halbjahr 2009 schon 80 Prozent mehr Umsatz gemacht als im gesamten Jahr 2008. Damit gehört sie zweifellos zu den Profiteuren der augenblicklichen Lage. „Die Krise hat uns fünf Jahre Marketingaufwand erspart“, sagt auch Daniel Tümpel. Er sagt es freundlich, ohne eine Spur von Triumph in seinem Gesicht. Die Geschäftsidee, die hinter dem Erfolg von Fine Art Equity steckt, ist simpel. Würtenberger und Tümpel geben Kunsthändlern Geld, damit diese Bilder kaufen können.
Für Uneingeweihte mag es überraschend sein, dass Kunsthändler selbst Gemälde erwerben. Zum Bild des Galeristen in der Öffentlichkeit gehört, dass er Bilder verkauft, nicht kauft. Üblicherweise übergibt ein Künstler einem Galeristen kostenfrei sein Werk, damit dieser es einem Sammler anbietet. Den Gewinn teilen sich dann Künstler und Galerist zu gleichen Teilen. Es gibt jedoch auch Kunsthändler – vorwiegend im Bereich der alten Meister und der klassischen Moderne –, die im sogenannten Sekundärmarkt operieren. Sie müssen ihre Ware einem Vorbesitzer, einem Sammler oder dem Erben eines Künstlers abkaufen, um sie einem anderen Sammler für einen höheren Preis anbieten zu können. Für diese Art von Geschäft brauchen die Kunsthändler viel Kapital. Wenn es einen wichtigen Beckmann zu ergattern gibt, darf man zudem nicht zu zögerlich sein. Tümpel und Würtenberger schießen die nötigen Dollar oder Euro für den Ankauf zu. Zumindest wenn der Einkaufspreis gut ist.
Das Geschäftsmodell von Fine Art Equity erinnert dabei zunächst an die Kreditvergabe einer Bank, unterscheidet sich aber in wesentlichen Punkten. Als Sicherheit vom Galeristen verlangen Tümpel und Würtenberger ausschließlich Kunst. Das Haus, das Aktienportfolio oder der Ferrari bleiben unangetastet. Auch Zinsen verlangen die beiden Geldgeber nicht. Was sie interessiert, ist allein der Wert des Kunstwerks und der Gewinn des Händlers beim Weiterverkauf. Von Letzterem verlangen sie einen Anteil. Im Grunde steigt Fine Art Equity also wie ein Investor in das Verkaufsgeschäft ein, das zwischen Kunsthändler und Sammler abgewickelt wird. Wie hoch ihr Anteil an der Marge des Galeristen ist, verraten Tümpel und Würtenberger nicht. Es ist wohl auch von Fall zu Fall Aushandlungssache. „Der Kunsthändler bekommt deutlich mehr“, sagt Würtenberger. Zumindest wenn alles ideal läuft. Wenn der Händler mit dem Verkauf zu sehr trödelt, sinkt sein Anteil jedoch allmählich.
Vom Gewinn einmal abgesehen - es gäbe sicher einfachere und auch weniger risikoreiche Wege für das Berliner Paar, um etwas Sinnvolles mit seinem Geld anzufangen. Aber ganz ohne Eigeninteresse funktioniert die Sache dann doch nicht: „Ich habe den schönsten Job der Welt“, sagt Tümpel. „Ich kann die sensationellsten Bilder in den Händen halten.“ Die Tatsache, dass er die Kunstverkäufe finanziert, gebe ihm die Möglichkeit, für eine kleine Weile den kostbarsten Gemälde ganz nahe zu sein. Und Tümpel prüft sehr genau, für was er sein Geld hergibt.
Die Leidenschaft für Kunst ist dem 37-Jährigen eher anerzogen, als dass er sie gewählt hätte. Sein Vater Christian Tümpel ist erimitierter Kunstgeschichtsprofessor und einer der bedeutendsten Rembrandt-Experten. Seine Mutter ist ebenfalls Kunstwissenschaftlerin. Das Museum wurde so zur zweiten Heimat. Als einmal ein bekannter Sammler bei den Tümpels zu Gast war, rief der Vater seinen Sohn, der im Garten spielte, ins Haus. Der kleine Daniel bekam ein Bild in die Hand gedrückt. „Das ist ein Rembrandt“, sagte der Vater. „Und jetzt kannst du weiterspielen.“
Der Rembrandt hinterließ Spuren. Nach der Schule hatte Daniel Tümpel den Wunsch, in den Kunsthandel einzusteigen, allerdings fehlte es an Geld. Also studierte er zunächst Betriebswirtschaftslehre und Kunstgeschichte und arbeitete danach sieben Jahre als Investmentbanker in Amsterdam, Frankfurt und London, bevor er 2007 dann Fine Art Equity gründete.
Seine Partnerin stieß 2008 zur Firma dazu. Die 36-Jährige hatte zuvor Rechtswissenschaften studiert, über Urheberrecht promoviert und 1999 das Internet-Prämiensystem Webmiles gegründet, das sie nur kurze Zeit später an Bertelsmann verkaufen konnte. Seitdem hatte auch sie als Investmentbankerin gearbeitet. Bei Fine Art Equity teilen sie sich die Spezialgebiete auf: Sie ist eher für die Abwicklung der Verträge zuständig, er für die Einschätzung der Relevanz und des Marktwerts eines Kunstwerks.
Wie bei vielen jungen Unternehmen war auch bei Fine Art Equity der Start mit viel Arbeit und Geduld verbunden. Mittlerweile melden sich, auch krisenbedingt, immer mehr Händler bei den beiden Berlinern. Rund ein Dutzend Kunden haben Tümpel und Würtenberger bis heute beim Kunstkauf unterstützt. Das klingt nicht nach viel, allerdings wählen die beiden auch sehr genau aus, welche Bilder sie finanzieren. Bei einem Werk eines alten Meisters oder eines klassischen Modernisten sind die Chancen größer. Ruysdael und Picasso, Kirchner und Klee, Warhol und Wesselmann. „Wir konzentrieren uns auf international gehandelte Spitzenwerke von kunsthistorischer Relevanz“, sagt Würtenberger. Richter oder Baselitz? Durchaus. Lüpertz oder Penck? Nun ja.
Von den gehypten jungen Malern der letzten Boomjahre lassen die beiden in jedem Fall die Finger. „Wir spekulieren nicht“, sagt Würtenberger. Ein solches Prinzip der Risikominimierung verfolgen die beiden auch bei ihrem zweiten Standbein - der privaten Kreditvergabe. Sammler können sich Geld leihen und als Sicherheit ihre Kunst angeben. Der Kredit verhindert, dass sie ihre Sammlung im Auktionshaus versteigern lassen müssen, wenn sie kurzfristig in finanzielle Not geraten sind. Der Zinssatz, den Fine Art Equity bei solchen Krediten verlangt, variiert. Je riskanter die Kunst, desto höher sind die Zinsen. Auch diese Form von Geschäft gehört eher nicht zur täglichen Praxis bei Banken. Klaus Winker, Pressesprecher der Deutschen Bank, mag zwar nicht ausschließen, dass auch in seinem Haus Kredite auf Kunstwerke vergeben werden: „Das wären jedoch allenfalls Einzelfälle im gehobenen Privatkundengeschäft, wenn wir die Kunden lange und gut kennen.“
Bei Fine Art Equity hat sich vor ein paar Monaten ein Automobilteilzulieferer gemeldet, der dringend Geld in sein Unternehmen investieren musste. Als Sicherheit bot er nicht sein Haus, sondern seine Sammlung an. Tümpel und Würtenberger willigten ein. Den Namen des Kunden verraten sie nicht, wie sie ebenfalls nicht erzählen, welche Bilder sie bisher finanziert haben. Diskretion ist unerlässlich. Das liegt an der Natur des Geschäfts. Viele würden wohl gern die Hilfe von Tümpel und Würtenberger in Anspruch nehmen, aber keiner möchte zugeben, dass er es gerade nötig hat.