Wiener Zeitung, July 4th, 2006
Wagner:Werk Museum: Wolfgang Tümpel (1903-1978)
Kaffee kochen mit einer Granate
von Brigitte Borchardt-Birbaumer
Wer es nicht glauben will: Es gibt eine Teekanne, die nicht tropft. Das Geheimnis kannte Wolfgang Tümpel, ein Abgänger der Kunstgewerbeschule Bielefeld, Schüler und Mitglied des Bauhauses in Weimar. Ein winzig kleines Loch im Schnabel nimmt den Überdruck und bewahrt vor lästigen Untersätzen.
Selbst solche Gegenstände hat der Gold- und Silberschmied in besonderer Weise gestaltet: Wie alle Bauhäusler vertrat er zwar die Linie "Form follows function", aber nicht dogmatisch. Auch das Ornament war ihm immer wichtig - nicht nur das verbindet ihn mit den Traditionen der Wiener Kunstgewerbeschule.
Manche seiner Leuchter und liturgischen Geräte erinnern an den Otto Wagner- Schüler Josef Ple æ nik. Und so passen die Werke, die erstmals in Österreich präsentiert werden, natürlich kongenial zum Hauptraum der Postsparkasse. "Der Mensch liebt auch heute noch das sinnvoll einleuchtende" schrieb Tümpel 1956. Da war er bereits selbst Professor für Metallgestaltung an der Hochschule in Hamburg und hatte die Weltausstellung in Chicago 1950 und die Werkbundausstellung "neues Wohnen" in Köln 1949 hinter sich.
Vertraute Formen
Die Vertrautheit mit manchem seiner Entwürfe kommt von allgemein bekannten Industriedesign-Formen - zu bewundern etwa in seiner Tschibo-Kaffeedose oder seinen silbernen, schlanken Kaffeekannen. In den USA werden davon momentan Raubkopien gefertigt: Zwei seiner Söhne müssen als Kunsthistoriker und Jurist dagegen ankämpfen. Aber es gibt auch autorisierte Kopien.
1946 hatte Tümpel wegen Materialmangels aus dem Messingring einer Granate eine Stielkanne zum Kaffeekochen gestaltet. Eine Grundeinstellung des in offenen Werkstätten (etwa bei Laszlo Moholy-Nagy und Paul Klee) geschulten Metallgestalters: Auch für die jungen Leute müsse Schmuck erschwinglich sein. Er verwendete daher vorzugsweise Silber in Kombination mit Halbedelsteinen, Korallen, selbst geschliffenen Kieseln, die er an der Ostsee sammelte.
Modern statt modisch
Sein Credo "modern, aber nicht modisch" zu sein, zeigt ihn auch als Kenner von mittelalterlichem Kirchengerät. Seine Colliers mit geschlossenen und offenen Kugelformen, auch alternierend mit gefasstem Halbedelstein und dezenten Grundmustern in Silber, liegen aber selbst heute durchaus im Trend..
Kuratiert wird die Schau, die nun zusätzlich auch an Samstagen zu besichtigen ist, von Hildegard Wiewelhove aus dem Huelsmann Museum in Bielefeld. Dort werden viele der Werke des Künstlers aufbewahrt, vor allem das frühe "Bohnsche Service" in Silber mit wunderbaren grünen Chrysoprassteinen als Deckel und Elfenbeingriffen.
Trotzdem eigenständig
Diese sowie einige Goldbroschen in Fischform mit Flussperlen zeigen, dass natürlich auch teure Materialien seine Sache waren, sich Tümpel an die jeweilige Zeit, die Auftraggeber und die Aufgabe anzupassen verstand - und trotzdem eigenständig blieb.