Kühler Verstand trifft Leidenschaft
Bettina Beckert
Zwei ehemalige Investmentbanker finanzieren Händlern herausragende Werke der Moderne mit privatem Geld. Statt Zinsen bekommen sie einen Gewinnanteil. Ein ungewöhnliches Geschäftskonzept, das erfolgreich ist.
Berlin. Ein verlockendes Kaufangebot flattert dem Kunsthändler ins Haus, doch für einen schnellen Ankauf ist kein Geld da – und die Bank lässt auch nicht mit sich reden. Damit aus diesem Traum kein Alptraum wird, bietet die Berliner Firma "Fine Art Partners" Finanzierungen an. Ein ungewöhnliches Geschäftskonzept, das erfolgreich ist. Inhaber der Firma ist das Ehepaar Loretta Würtenberger (38) und Daniel Tümpel (39), beide Zahlenmenschen mit einer großen Leidenschaft für Kunst.
Fine Art Partners arbeitet mit Kunsthändlern zusammen, die im "Sekundärmarkt" agieren. Im Gegensatz zu Galeristen auf dem "Primärmarkt", die mit 50 Prozent am Verkaufspreis von Atelierwerken beteiligt sind, funktioniert dieser anders. Hier kaufen Kunsthändler zumeist Werke abgeschlossener Epochen an, Alte Meister oder die Klassiker der Moderne und veräußern sie dann weiter. Um im Geschäft zu bleiben, ist Liquidität notwendig, denn die Objekte der Begierde sind entweder sehr teuer, oder der Verkäufer will schnell an sein Geld. Bei vielen Kunsthändlern bindet das Lager zu viel Geld. Fine Art Partners mag da für manchen Kunsthändler wie ein Silberstreifen am Horizont erscheinen. Übrigens nicht nur für deutsche Händler, sondern auch für europäische und seit 2010 vermehrt für amerikanische und britische Kunden.
Wie die beiden zur Kunst kamen? Daniel Tümpel ist in einem von Kunst geprägten Elternhaus aufgewachsen. Der Vater war Kunstgeschichtsprofessor und Rembrandt-Experte, seine Mutter ist eine ehemalige Museumsdirektorin.
"Kunst war das dominante Thema bei uns zu Hause. Während sich meine Eltern mehr wissenschaftlich damit auseinandersetzten, fand ich auch den Markt dahinter faszinierend." Nach einem Gespräch mit einem Altmeisterhändler als Abiturient entschied sich Tümpel, ganz Realist, für ein Wirtschaftsstudium. Für den kapitalintensiven Handel fehlte ihm damals die finanzielle Basis. Tümpel arbeitete an internationalen Standorten als Investmentbanker.
Doch sein Herz schlägt für die Kunst, und er überlegt, als Partner bei einer Galerie einzusteigen. In dieser Phase erkennt Tümpel, dass es innerhalb der Handelsszene keine klassische Finanzierungsstruktur gibt. 2007 ist die Idee für Fine Art Partners geboren. Daniel Tümpel kehrt "endlich wieder zur Kunst zurück" – eine glückliche Entscheidung, wie er betont. Jetzt ausgestattet mit den finanziellen Mitteln, die ihm in jungen Jahren fehlten.
Ein Jahr später stößt seine Ehefrau dazu. Die promovierte Juristin machte einst als jüngste Richterin Deutschlands Schlagzeilen und Karriere. Mit zwei Freunden hatte Loretta Würtenberger das Bonussystem Webmiles entwickelt, das sie 2000 wieder verließ und dessen Anteile sie erfolgreich verkaufte. 1999 wurde sie "Unternehmerin des Jahres". Zuletzt war auch sie als Investmentbankerin tätig. Zusammen bilden die beiden ein Powerpaar, das sich wunderbar ergänzt.
Fine Art Partners finanzieren "Blue Chips des 20. Jahrhunderts", so Würtenberger, ein Markt auf dem sie sich auskennen. Sie geben dem Kunsthändler Geld, als Sicherheit fungiert das Kunstwerk. Statt Zinsen bekommen sie einen Anteil vom Gewinn des Kunsthändlers. Die Höhe des Anteils ist Verhandlungssache – fest steht, je schneller der Verkauf über die Bühne geht, umso besser für den Kunsthändler. Braucht er einen längeren Zeitraum, steigt der Anteil von Fine Art Partners allmählich. Über ihre Kunden verraten die beiden nichts, Diskretion ist oberstes Gebot.
Nicht aus der Theorie, sondern aus der Praxis entwickelte sich Fine Art Partners weiter. Man benötigt einen "360-Grad-Blick" wie Würtenberger die vielschichtigen Anforderungen umschreibt. Der neue Firmenzweig heißt "Strategic Art Consulting". Dabei geht es weniger um die klassische Kunstberatung, als um eine umfassende Beratung von Sammlern und Nachlässen in komplexen Situationen wie der Nachfolge.
Was passiert mit meiner Sammlung zum Beispiel nach meinem Tod? Wer kümmert sich darum? Wer führt sie fort? Wirtschaftliche, philanthropische und emotionale Interessen sind in Einklang zu bringen. "Sammler haben zumeist viele Jahre ihres Lebens und unzählige Gedanken in den Aufbau ihrer Sammlung gesteckt. Daher muss man mit diesen Fragestellungen besonders sensibel umgehen."
Daniel Tümpel kennt das Thema aus eigener familiärer Erfahrung, da er lange den Nachlass seines Großvaters, des Bauhaus-Künstlers und Designers Wolfgang Tümpel (1903-1978) betreute. Hier entschied man sich am Ende, diesen einem Museum zur wissenschaftlichen Aufbereitung zu überlassen.
"Das Thema Nachfolgeregelung muss bei großen Sammlungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Belange ähnlich wie im mittelständischen Unternehmen angegangen werden", betont die prägnant formulierende Würtenberger. Zumeist sind große Werte gebunden, es gibt verschiedenste Beteiligte wie Ehepartner, Kinder und den Fiskus. Steuerrecht und Erbschaftsrecht spielen hier eine Rolle.
Loretta Würtenberger verblüfft: "Deutschland ist fast ein El Dorado hinsichtlich der Erbschaftsteuer in Bezug auf Kunst." Konzentriert führt sie aus: "Wenn man es richtig strukturiert, kann man eine Ermäßigung von 60 Prozent und unter besonderen Voraussetzungen sogar eine Steuerbefreiung von 100 Prozent erreichen."
Für die 100-prozentige Ermäßigung muss sich das Kunstwerk mindestens 20 Jahre im Eigentum der Familie befunden haben und darf innerhalb von zehn Jahren seit dem Erbfall nicht veräußert werden. Zudem muss es in diesem Zeitraum der Bildung nutzbar gemacht werden und beispielsweise als Leihgabe an ein Museum gehen. Fine Art Partners agieren als neutrale Verhandlungsführer in diesem oft zwei bis vier Jahre andauernden Prozess und können dem Sammler bei Liquiditätsengpässen aushelfen und die Sammlung beleihen.
Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel arbeiten nur mit ihrem eigenen Geld. Eine Basis, die ihre Unabhängigkeit sichert und durch die sie ihren Kunden auf Augenhöhe begegnen, ohne externen Druck durch Geschäftspartner. Auch Kunstfonds sind für die beiden kein Thema.
Für Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel gibt es, wie so oft im Kunstbusiness, keine Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Auch sie hat der Sammlervirus erfasst, und so können sie die emotionale Seite des Sammelns sehr gut verstehen. Daniel Tümpels Fokus liegt auf der Graphik der Bauhauskünstler, während in Loretta Würtenbergers Kollektion Werke weibliche Zeitgenossen wie Sophie Calle und Rebecca Horn im Mittelpunkt stehen. Und wenn das Paar so ins Schwärmen gerät, wird klar: Kunst ist die große Leidenschaft der beiden.